, Kaufmann Volker

70.3 Ironman WM in Lahti, Finnland von Alva Renhak

Ich habe mich vor knapp 2 Monaten in Nizza für die 70.3 Ironman WM in Lahti, Finnland qualifizieren können. Nizza war meine zweite Mitteldistanz und mit meinem ersten Platz in der AK und dem WM-Slot ging ein Kindheitstraum in Erfüllung. Gleichzeitig stellte sich die WM auch als Hürde heraus. Ich war ja gerade erst aus Neuseeland zurückgekommen und dementsprechend sah mein Konto auch aus. Die letzten Monate waren ein Spagat zwischen meiner Arbeit im Strandbad und Schwimmbad Arbon, dem Training und natürlich der Reiseplanung...

Ich habe mich vor knapp 2 Monaten in Nizza für die 70.3 Ironman WM in Lahti, Finnland qualifizieren können. Nizza war meine zweite Mitteldistanz und mit meinem ersten Platz in der AK und dem WM-Slot ging ein Kindheitstraum in Erfüllung. Gleichzeitig stellte sich die WM auch als Hürde heraus. Ich war ja gerade erst aus Neuseeland zurückgekommen und dementsprechend sah mein Konto auch aus. Die letzten Monate waren ein Spagat zwischen meiner Arbeit im Strandbad und Schwimmbad Arbon, dem Training und natürlich der Reiseplanung. Letzteres erwies sich schwerer als gedacht, denn die Lahtis Unterkünfte waren komplett ausgebucht, so dass uns eine abgeschiedene Ferienwohnung im Nirgendwo der Wälder Finnlands übrigblieb. 
Nachdem wir einmal umbuchen mussten, da kein Sportgepäck mehr an Bord des ersten Fliegers passte, flogen meine Freundin Raja und ich Mittwochabends, drei Tage vor dem Rennen der Damen am Samstag, den 26. August. 
Die folgenden Tage verliefen planmässig, alles war sehr durchgetaktet, da wir immer unsere Anfahrt von 1h15 mit einkalkulieren mussten. Der einzige grössere Stressfaktor war unser Mietwagen, ein Elektroauto. Das Laden funktionierte anfangs gar nicht und wir mussten öfters um unsere Batterie bangen. 
Am Donnerstag war die Wettkampfbesprechung. Die wohl bahnbrechendsten Infos waren, dass die Velostrecke falsch vermessen wurde und anstatt 400hm 800hm hatte. Mir machte das nicht so viel aus, aber es ging ein ziemliches Raunen durch die Menge und es ist tatsächlich ein Fehler, den man nicht bei einer WM erwartet. Wie es zu dem Messfehler kam, verschwiegen sie, aber es wurde erwähnt, dass es im Ziel Hotdogs mit finnischen Chilisossen geben würde. 
Beim Athlete Check-in traf dabei meine Freundin Sofia, mit der ich im Alter von 8 Jahren im Triathlon Karlsfeld trainiert hatte. Sie war von München als Volunteer nach Finnland gekommen, da sie finnische Wurzeln hat und um bei meinem Event dabei zu sein. Wirklich cool!
Am Freitag brachte ich meine Transition Bags und mein Velo in die Wechselzonen. Darin war das Übliche und eine Windweste als Backup, falls es nach dem Schwimmen doch zu kalt werden würde. Freitagabends standen natürlich Nudeln auf dem Speiseplan und ich konnte überraschend gut schlafen. 
Der Wecker klingelte morgens um 5 Uhr, ich war hellwach und hochmotiviert. Auf der Hinfahrt gab es nochmals Nudeln. Um 6:30 Uhr liess mich Raja bei der Wechselzone raus und parkte das Auto. Ich brachte meine Flaschen und den Garmin Edge ans Rad, kontrollierte alles und lief dann in Richtung Startbereich um den Start der Profis zu sehen. Alles wurde um eine halbe Stunde nach hinten verschoben, da der Nebel morgens so stark war, dass man die Bojen nicht gut erkennen konnte. Es wurde die finnische Hymne gesungen und dann fiel der Startschuss der Profifrauen. Die Sekunden davor waren mucksmäuschenstill und ganz Lahti war leise. Das war sehr eindrucksvoll. Danach wurde es Zeit meinen Anzug anzuziehen und mich aufzuwärmen. 15 Minuten später schlüpfte ich auch schon in den Neo und alles ging überraschend schnell. Meine Freundinnen halfen wir beim Eincremen und Neo zu machen und ich lief schleunigst in den Startbereich, wo ich mich schon durch die letzte Startgruppe zu meiner Altersklasse mit den Grauen Badekappen durchrangeln musste. Im Gegensatz zu allen vorherigen Mitteldistanzstarts gab es heute keinen emotionalen Moment des Innehaltens mehr. Es ging alles schnell und schmerzlos und beim Start hatte ich ein breites Grinsen im Gesicht. Die Wassertemperatur war 19.5°C, was ich als sehr angenehm empfand. Ich genoss das Schwimmen sehr, mir ging es super und ich war voller Energie. Ausserdem gab es viel weniger Gerangel im Wasser, was vielleicht daran lag, dass keine Männer mitschwammen. 
Ich stieg nach knapp 32 Minuten aus dem Wasser, vorbei an dem Wetsuit-Strip-Bereich, wo einem der Neo von Helfern ausgezogen wurde. Der Wechsel lief glatt, ich zog mein Windchilet nicht an, die Temperatur war wirklich ausreichend warm. 
Es ging ca. 5km durch die Stadt und durch eine kleine Unterführung, bei der Überhol- und Aeropositionsverbot war. Dort pfiff mich von hinten ein Referee extrem laut an und ich hatte Angst, dass ich ein Penalty bekommen hatte und hielt von da an Ausschau nach den Penalty Zelten. Die Strecke zog sich durch Wälder und Wiesen abseits von jenster Zivilisation. Ab und zu sassen Zuschauer an verlassenen Ausfahrten, ganz dick eingelullt auf Klappstühlen und guckten nur. Viel Stimmung war wirklich nicht geboten und alles sah zwar hübsch aber immer gleich aus. Ich konnte einen guten Schnitt halten bis Kilometer 40. Es war tendenziell hügelig und gab wenig Kurven, also blieb ich fast nur in der Aeroposition, in der ich mich irgendwann ganz versteift fühlte. Gleichzeitig krampfte mein Bauch sich zusammen und ich bekam Kopfschmerzen. Ich war ein bisschen ratlos, ob ich zu wenig getrunken hatte, ob ich die Gels schlecht vertrug und ob ich meine Verpflegung situationsbedingt anpassen müsste. Ich schiebe den Kopfschmerz im Nachhinein auf meinen Zopf, der höher als sonst war und dadurch drückte mein Helm ziemlich arg. Das ist ein Fehler, der mir nicht nochmal passieren wird. 
Ich trank meine Gelmische wie gehabt und ging auch bei flachen Anstiegen immer mal wieder aus dem Sattel und konnte so das Ziehen im Bauch etwas lindern. 
Mittlerweile war ich an beiden Penaltyzelten vorbeigefahren, ohne anzuhalten. Vom Briefing wusste ich nur, dass man eigentlich eine gelbe Karte gezeigt bekommen muss. Immer und immer wieder spielte ich durch, wie der Referee mich angepfiffen hatte und es graute mir vor dem Gedanken disqualifiziert zu werden, aber ich wollte auch auf gar keinen Fall anhalten. Irgendwann fuhr ein Schiedsrichtermotorrad vorbei und ich musste einige Kraft aufnehmen ihm hinterherzufahren aber schaffte es dennoch den Fahrer zu fragen. Er sagte ich müsste eine Karte gezeigt bekommen haben. Das beruhigte mich ein wenig, denn der Gedanke die WM zu finishen aber disqualifiziert zu werden war eine Horrorvorstellung und meinen Kopf zerbrach ich ja eh schon genug mit dem Zopf unterm Helm. Weniger nervös, aber ziemlich am Limit zogen weitere Kilometer wie Kaugummi ins Land und die Strecke schien nicht aufzuhören. 
Auf den letzten zehn Kilometern ging es wieder etwas besser, aber ich machte mir Sorgen, dass mein Magen noch schlimmer krampfen würde, wenn ich mich nach dem Radfahren wieder aufrichten würde. 
Die Wechselzone breitete sich in drei grossen überdachten Hallen aus. Ich fand meinen Platz mit der Nummer schnell, aber dort stand schon ein anderes Velo. Ich schaute mich nach Helfern um denn nirgendwo sonst war ein Platz frei. Ich hasste jede Sekunde, die ich dort mit meinem Velo stehen musste, es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Nachdem eine Helferin mich tatenlos blöd anguckte, eilte ein Mann von der anderen Seite und nahm zum Glück mein Rad und ich konnte weiterrennen. 
Ich wechselte in meine Laufschuhe und begab mich auf die Laufstrecke. Mittlerweile war die Sonne auch etwas herausgekommen und ich war so glücklich Raja und Sofia zu sehen, die mich aus vollster Kehle anfeuerten. Es ging über eine Holzrampe, die einem wirklich dem Atem nahm, weil sie so steil war. Auf der Runde im Stadion neben den Skisprungschanzen bekam ich Gänsehaut. Es war ein wirklich eindrucksvolles Bild. Nach einem Kilometer kam ein anderthalb Kilometer langer Anstieg, der gefühlt nicht endete und ich verwarf es auf meine Uhr zu gucken, denn ich wollte nicht sehen, wie die Höhenmeter meinen Pace ruinierten. Nach einer hügeligen Strecke ging es steil bergab, es war die Hölle für vorbelastete Beine. Mein erstes Gel nahm ich nach 5 Kilometern und musste danach Bauchkrämpfe ertragen, die glücklicherweise nach ein paar Minuten wieder weggingen. Es folgte der flache Teil der Laufrunde und ich konnte wieder beschleunigen und fühlte mich sogar richtig frisch. Es ging erneut über die Holzrampe, dann durch das Stadion und den langen Anstieg hinauf und verfluchte dabei die Streckenplaner. Trotzdem ging es mir besser, als auf Runde eins, die Krämpfe nach jedem Gel waren auch gut wegzustecken. Ich liess die Wohngegend hinter mir, in der die Stimmung sehr verhalten war. Was an anderen Strecken ein schallendes Jubeln und Geschrei ist, war hier in Finnland ein zweimal Klatschen, ein freundliches Lächeln oder interessiertes Kopfnicken. So weit so gut, das Ziel näherte sich. Ich konnte im Flachen wieder Tempo machen und die Kilometer vergingen wie im Fluge. Ein letztes Mal rannte ich über die Holzrampe, den schadenfreudigen, mit Fahnen geschmückten Mittelfinger des Veranstalters und bog in das finnische Ziel ein. Ich konnte Raja und Sofia jubeln sehen und hören und sprintete durch den Zielbogen. Ich war erleichtert, endlich angekommen zu sein und ein Helfer wies mich darauf hin, dass ich mein insgeheimes Ziel unter 5h zu kommen gemeistert hatte. 4:59:43 stand dort. Wie gut, dass ich bei keinem Penaltyzelt angehalten habe! Ich bekam eine aussergewöhnlich schwere Medaille und Finishergeschenke. Jede Athletin wurde von einem Helfer bis in den Verpflegungsbereich begleitet. Ich gönnte mir zwei finnischen Hotdogs und schickte Bilder nachhause, an alle die über den WM-Tracker schon geschrieben hatten. Der 30te Platz in meiner Altersklasse von 107 Teilnehmerinnen und 281te Overall kann sich durchaus sehen lassen, finde ich. Sehr überrascht war ich auch von meiner Laufzeit: 1:33h trotz der 200 Höhenmeter. 
Ich war so stolz dabei gewesen zu sein und bin mit meiner Leistung sehr zufrieden. Ich habe viel für zukünftige Rennen gelernt, bezogen auf den Wettkampf und die Anreise und ich hoffe, dass es nicht meine letzte Teilnahme an einem solchen Event war. 
Bis bald
Alva